„…verreisen wir morgen früh”
Diese Webseite beginnt mit den Worten von Max II und Clara Müller auf einer Karte, die sie vor 80 Jahren, am 8. Mai 1942, an ihren Sohn Meinhold schickten.
Am 9. Mai 1942 verließen sie Themar, ihr Zuhause seit 1929, und reisten nach Weimar. Dort schlossen sie sich 508 weiteren jüdischen Männern, Frauen und Kindern aus 42 anderen Orten in Thüringen an und reisten ins Ghetto Belzyze im Gebiet Lublin im besetzten Polen. Die Liste links ist diejenige, die von Nazibeamten geprüft wurde, als die 5 Personen aus Themar—eine davon das 5-jährige Mädchen Inge Neuhaus—in den Zug in Weimar einstiegen. Der Stempel „Abgewandert“ war ein Euphemismus für „deportiert.“
Clara und Max hatten 3 Söhne: Herbert (im Bild links oben), geb. 1913; Meinhold (in der Mitte), geb. 1919 und Willi (rechts), geb. 1922. Max und Clara erkannten sehr schnell die Bedrohung, die von den Nazis ausging und schafften es, dass ihre Söhne Deutschland verlassen konnten: Meinhold ging 1936, Willi 1938 und Herbert 1941 in einer 11stündigen Flucht. Als die Deportationen im Oktober 1941 begannen, waren alle 3 Söhne außerhalb von Deutschland.
Ab dem Morgen nach dem Kristallnacht-Pogrom vom 9./10. November 1938 schrieben Clara und Max regelmäßig an Meinhold in Schweden und Willi in Palästina. Willi bewahrte den Briefwechsel auf und 2011 machte sein Sohn Reuven die Briefe all jenen zugängig, die sich für die Geschichte, welche sie erzählen, interessieren. Sie sind unter den meistbesuchten Seiten der Webseite, die mit den jüdischen Familien von Themar verbunden ist.
Die Briefe und Karten berichten von der verzweifelten Suche von Max und Clara, irgendwo in der Welt Zuflucht zu finden. (Die Geschichte kann hier gefunden werden.) Sie erzählen auch die Geschichte der letzten Jahre und Tage im Leben einer jüdischen Gemeinde in einer kleinen Stadt in Thüringen.
Sie berichten daher auch über die Erfahrungen der Familien in den anderen 42 Gemeinden, deren Mitglieder am 10. Mai 1942 in das Ghetto Belcyce deportiert wurden. Diese Webseite präsentiert die Geschichten einzelner Personen aus allen 43 Dörfern, Städten und Großstädten, die am 10. Mai 1942 von Weimar ins Ghetto Belcyce deportiert wurden. Wo immer es möglich war, ist die Person in einen familiären Kontext eingebunden: in manchen Fällen war es unmöglich, ergänzendes Material zu finden; in anderen enthüllten öffentliche oder private Archivdokumente die reiche Fülle der gelebten und verlorenen Leben.
„Der 10. Mai 2022 ist der 80. Gedenktag der Deportation von Clara und Max Müller und 511 weiteren Thüringer Juden. Diese Seiten sind dem Gedenken an das Leben der 513 Männer, Frauen und Kinder gewidmet.“
Sehen Sie auch ,,am 81 Gedenktag der Deportation ins Ghetto Belzyce“